Ein Labyrinth von Offshore-Gesellschaften

Herr Nikolai* nutzt seine Stellung als Mehrheitsaktionär einer Bank, um bei Gläubigern Darlehen zu beantragen, die er nie zurückzahlen wird. Das Geld wird über Offshore-Konten in mehreren Ländern geschleust. Ein Labyrinth für die Analystinnen und Analysten der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS), die auf die Hilfe ihrer ausländischen Kollegen angewiesen sind.

Osteuropa, Mitte der 2010er Jahre. Herr Nikolai* ist ein einflussreicher Geschäftsmann, der den Machtkreisen seines Landes nahesteht. Er ist zudem wohlhabender Aktionär einer Grossbank in seiner Heimat, über die er Darlehen aufnimmt, die an Drittfirmen weitergegeben werden. Bei Letzteren handelt es sich um Offshore-Gesellschaften, deren Begünstigter wiederum Herr Nikolai ist. Die Gelder, die von den Offshore-Gesellschaften auf diese Konten überwiesen werden, fliessen erst durch mehrere Länder, dann über Zypern und landen schliesslich in der Schweiz. Sie ist das letzte Glied in einer ausgeklügelten Strategie.

Ein Krimineller, der zunächst keinen Verdacht weckt

Die Schweizer Banken werden vorerst nicht durch die grossen Beträge alarmiert, die auf ihren Konten landen: Zwar sind es Konten im Namen von Offshore-Gesellschaften, aber letztlich gehören sie Herrn Nikolai. Nichts zu melden also. Ein paar Jahre später macht Herr Nikolai aber in den Medien von sich reden. Die Gläubiger, die seiner Bank Geld geliehen haben, beschweren sich, weil ihre Kredite nie zurückbezahlt wurden. In den Medien wird der Geschäftsmann wegen seiner Rolle in dem inzwischen bankrotten Finanzinstitut der ungetreuen Geschäftsführung und der Veruntreuung beschuldigt.

Wer steckt hinter den Offshore-Gesellschaften?

Die Medienberichte lassen die Schweizer Bank hellhörig werden: Handelt es sich bei den Geldern, die Herr Nikolai hier deponiert hat, etwa um Vermögenswerte aus einer ungetreuen Geschäftsbesorgung? Die Bank ist wie jeder Finanzintermediär in der Schweiz verpflichtet, jeden Verdacht auf Geldwäscherei zu melden. Also alarmiert sie die MROS, die aktiv wird. Sie stellt Anfragen an die anderen involvierten Schweizer Finanzintermediäre, tauscht Informationen mit ihren ausländischen Kollegen aus und versucht, die Herkunft der in der Schweiz deponierten Gelder zu ermitteln. Die Zusammenarbeit ist ausgezeichnet, aber die Wirtschaftskriminellen sind auch überaus kreativ. Die Vermögenswerte zirkulierten permanent zwischen verschiedenen Konten von Offshore-Gesellschaften. Dies behindert die Arbeit der MROS, die erst ihre ausländischen Partner um Hilfe bitten muss, um herauszufinden, wer sich hinter diesen Gesellschaften verbirgt.

Keine Grenzen

Nach mehrmonatigen Analysen identifiziert die MROS ein Transaktionsschema, das möglicherweise der Geldwäscherei zuzuordnen ist. Der Fall wird daher wegen Verdacht auf Geldwäscherei von Erträgen aus ungetreuer Geschäftsbesorgung und/oder Veruntreuung an die Schweizer Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet. Diese Beweise konnten nur dank eines effizienten internationalen Informationsaustauschs zusammengetragen werden. Es gibt also keine Grenzen – weder für Geld noch für die Analystinnen und Analysten der MROS.

*Name geändert