Ein Deutscher im Dienste der Mafia

Die Verdachtsmeldung einer Bank an die Meldestelle für Geldwäscherei MROS führt dazu, dass Transaktionen der 'Ndrangheta zwischen der Schweiz und Osteuropa aufgedeckt werden. Ein Rückblick.

Über das Schweizer Bankkonto eines Bauunternehmens sollen Löhne, Bestellungen und andere Unteraufträge bezahlt werden. Eröffnet wurde das Konto für die Schweizer Tochterfirma eines bulgarischen Konzerns, der in der Baubranche tätig ist. Schon bei diesen ersten Informationen machen sich bei Fachpersonen der Meldestelle für Geldwäscherei MROS Zweifel breit. Es besteht nämlich eine Diskrepanz zwischen dem Profil des deutschen Staatsbürgers, der angeblich 95 % der Aktien besitzt und die Kontrolle über die Schweizer Tochterfirma ausübt, und den Aktivitäten auf dem Konto. Ist der Deutsche vielleicht nur ein Strohmann? Die Nachforschungen der MROS werden ergeben, dass dem tatsächlich so ist und dass der betreffende Mann Geld für die 'Ndrangheta wäscht.

Ein Strohmann wird entlarvt

Die Verdachtsmeldung an die MROS kommt von einer kleinen Depotbank: einem der Bankinstitute, die bei der Mafia hoch im Kurs stehen, weil sie ihnen eine gewisse Diskretion ermöglichen. Dabei geht es um kleinere Transaktionen. Die MROS zweifelt an der wahren Identität des Kontoinhabers und wundert sich über die Aktivitäten auf dem Firmenkonto. Was die Analysten von fedpol nach einigen Überprüfungen stutzig macht, ist der zweite Aktionär des Unternehmens: ein italienischer Staatsbürger. Nach diversen Gesprächen mit ausländischen Kolleginnen und Kollegen erfährt die MROS, dass der Deutsche in Wirklichkeit nur gerade 5 % des Unternehmens besitzt. Die restlichen 95 % gehören einem Buchhalter – eben diesem italienischen Staatsbürger, der in Belgien eine Gefängnisstrafe verbüsst hat, weil er als Buchhalter für die 'Ndrangheta tätig gewesen war. Während er im Gefängnis sass, führte seine Frau die Geschäfte fort. Und diese Aktivitäten haben Transaktionen mit anderen Konten ans Licht gebracht.

Geldwäscherei

Die MROS untersucht darauf alle in den Fall involvierten Schweizer Geschäftsbeziehungen, das heisst also alle Konten, die im Namen der identifizierten Geschäftspartner eröffnet wurden. Nach Anfragen an die kantonalen Steuerbehörden, Überprüfungen der Umsatzzahlen, Vergleichsanalysen und Antworten mehrerer ausländischer Amtskollegen erhärtet sich der Verdacht: Es kommt tatsächlich mehr Geld herein, als deklariert wird. Die involvierten Unternehmen werden in Wirklichkeit von der 'Ndrangheta genutzt, um Mafia-Cash durch das Schweizer Bankensystem zu schleusen. Die MROS erstattet Anzeige bei den Strafverfolgungsbehörden. Ein Beispiel, das zeigt, wie entscheidend die nationale und internationale Zusammenarbeit ist, um der Spur des Geldes zu folgen und seine Herkunft zu identifizieren.

Strohmänner

Strohmänner werden aus Gründen der Diskretion eingesetzt oder mit dem Ziel, Dritte zu täuschen oder zu missbrauchen. Mafiosi nutzen häufig Strohmänner, damit diese bei der Eröffnung von Konten im Namen von operativen oder Offshore-Gesellschaften, die teilweise der Geldwäscherei dienen, die Formulare A oder K unterzeichnen und damit verschleiern, wer die tatsächlichen Nutzniesserinnen und Nutzniesser sind. Das Formular A ermöglicht die Überprüfung des wirtschaftlich Berechtigten bei Konten, die im Namen von Offshore-Gesellschaften eröffnet wurden, das Formular K die Feststellung des Kontrollinhabers bei operativ tätigen Gesellschaften, d. h. der Personen, die 25 % oder mehr Anteile am Unternehmen halten. Der Rückgriff auf Offshore-Strukturen, operative Gesellschaften und Strohmänner ebenso wie die Tatsache, dass (vor allem im Bausektor) legale operative Tätigkeiten manchmal mit dem Zufluss von Geldern mafiösen Ursprungs vermischt werden, erschweren es den Banken, diese Machenschaften aufzudecken. Hinzu kommt, dass es in der Schweiz kein zentrales Register der Aktionärinnen und Aktionäre von Unternehmen gibt. Zwar sind die Banken bei einer Kontoeröffnung verpflichtet, die Identität der natürlichen Personen zu überprüfen, die hinter der betreffenden Gesellschaft stehen. Wie unser Beispiel zeigt, können die Angaben der Kunden aber auch irreführend sein.