Ein verurteilter Dschihadist ändert seinen Namen und findet neue Freunde. Dahinter steckt mehr, als es den Anschein macht. Die Gefahrenlage bleibt gleich.
2021. Offiziell ist der Islamischen Staat (IS) besiegt.
Die Ideologie? Lebt weiter. Dafür sorgt Abdullah*.
Abdullah wird 2014 verhaftet. Er gilt als Kopf einer islamistischen Zelle in der Schweiz. Anschlagspläne, Propagandaverbreitung und Teilnahme am IS. Die Anklageschrift der Bundesanwaltschaft (BA) gegen Abdullah wiegt schwer. 2016 wird der gebürtige Iraker verurteilt. Er sitzt seine Strafe ab.
Für fedpol ist klar: Abdullah bleibt nach der Haftentlassung eine Gefahr für die innere Sicherheit der Schweiz. Es gilt zu handeln. fedpol verfügt eine Ausweisung verbunden mit einer unbeschränkten Einreisesperre. Der Plan: Abdullah soll die Schweiz verlassen. Das Land, in dem er einen Terroranschlag plante. Er soll nie mehr hier hin zurückkehren.
Endstation Irak?
Nicht für Abdullah.
Abdullah kann nicht ausgeschafft werden. Der Grund: Seine Hingabe zum IS. Eine Ausschaffung? Für Abdullah lebensgefährlich. Ihm drohen Folter oder gar die Todesstrafe in Irak. Die Schweiz hält sich an das Non-Refoulement-Gebot.
Das Non-Refoulement-Prinzip ist in der Bundesverfassung der Schweiz und im Völkerrecht verankert. Es verbietet die Ausschaffung einer Person in ein anderes Land, wenn die auszuschaffende Person im Zielstaat dem Risiko von Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe ausgesetzt ist. Voraussetzung für das Non-Refoulement-Prinzip ist, dass die betroffene Person hinreichend belegen kann, dass sie im Zielstaat solchen Risiken ausgesetzt ist.
Deshalb bleibt er hier. Und bleibt eine Gefahr für die Schweiz. Er will predigen, Gleichgesinnte um sich scharen. Dabei kommt er in Kontakt mit Albin*. Ein verurteilter Syrienrückkehrer aus Winterthur. Einer von ihnen. Gemeinsame Treffen erzeugen gemeinsame Pläne.
Spätsommer 2021. Die Dschihadisten aus der Ostschweiz vernetzen sich. Gemeinsam besuchen sie eine Hochzeit. Auf der Gästeliste: ehemalige Mitglieder der geschlossenen An’Nur Moschee.
Die Treffen häufen sich. Einmal, zweimal, dreimal. Mitten dabei im Geschehen: Albin. Von Abdullah allerdings keine Spur.
Der Schein trügt. Abdullah heisst neu Isaiah*. Er hat eine Namensänderung vorgenommen. Neue Freunde, neuer Name – gleiche Gefahrenlage. Isaiah bleibt gefährlich.
Um die Gefahr unter Kontrolle zu halten, ist die nationale und internationale Zusammenarbeit und der Informationsaustausch gefragter denn je. Auch mit nicht-polizeilichen Behörden. Deshalb tauschen sich Politik, Nachrichtendienst des Bundes (NDB), Staatssekretariat für Migration (SEM), fedpol und die Schaffhauser Kantonspolizei im Fall Abdullah aus.
Eine Frage steht im Raum: Wie weiter?
Eine mögliche Antwort der Schweizer Bevölkerung auf den Umgang mit Gefährdern: Die Annahme der Polizeilichen Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) und der Möglichkeit, präventive Massnahmen einzusetzen.
PMT erlaubt der Polizei einzuschreiten, bevor eine Straftat verübt wird. Mit der neuen Gesetzeslage kann die Person verpflichtet werden, an Befragungen teilzunehmen oder sich regelmässig bei einer Behörde zu melden. Ihr kann auch verboten werden, das Schweizer Territorium zu verlassen, bestimmte Personen zu kontaktieren oder ein bestimmtes Gebiet zu betreten. Als letztes Mittel, kann Hausarrest angeordnet werden.
Ziel von PMT: Schlimmeres verhindern. Auch im Fall Abdullah. Für die Sicherheit der Schweiz.
*Namen geändert.