Corona 2021: Die Zahl der Infizierten explodiert. Die Massnahmen werden strikter. Die Wut steigt. Das bekommen die politischen Entscheidungsträger deutlich zu spüren.
Blutige Bildmontagen, Drohungen, Aufrufe zu Gewaltakten: Hatespeech – ein seit längerem bekanntes Problem. Früher in Briefformat, heute in Form von Posts und Kommentaren in den digitalen Medien. Überall: Instagram, Twitter, Facebook, Telegram.
Die Sprache: vulgär.
Der Ton: drohend. Gefährlich drohend. Für Parlamentarierinnen, für Politiker, für die Gesellschaft – und unsere Demokratie.
Tendenz: Steigend.
Corona war wie ein Dammbruch. Einige können ihre Wut über die Massnahmen nicht kontrollieren. Sie hauen in die Tasten. Wie Patrick*. Er fühlt sich sicher zuhause. Hinter seinem Smartphone. In der Anonymität. Zu sicher.
Patrick schreibt in einen Telegram-Chat…
…man soll eine bestimmte Magistratsperson mit blauen Bohnen abschiessen. Meint er damit Patronen? Projektile? Kugeln?
Dieser Kommentar bleibt nicht unbemerkt. fedpols Taskforce CYMON – Kürzel für Cyber Monitoring – wird hellhörig.
CYMON wurde 2021 gegründet.
Der Auftrag: Soziale Medien und Webseiten durchsuchen.
Das Suchobjekt: Drohungen mit Gewaltbezug, Aufrufe zu militanten Aktionen gegen Magistratspersonen.
Die Quelle: Open Source. Für alle einsehbar. Offene Telegram-Chats, offene Facebook- und Whatsapp-Gruppen.
Das Ziel: Magistratspersonen, Parlamentsmitglieder und Bundesangestellte schützen.
CYMON verarbeitet im Zeitraum von Mitte September bis Ende Dezember täglich bis zu 4’000 Nachrichten. Die Anzahl der Hasskommentare und Drohungen ist volatil. Neue Corona-Massnahmen lassen die Zahlen in die Höhe schnellen. Der Peak: 28. November 2021, der Abstimmungstag zum Covid-19-Gesetz.
Patricks Kommentar? Wird vom Bundessicherheitsdienst beurteilt. Im Fokus der Analyse: Wie gross ist die Gefahr, die von Patrick ausgeht? Besitzt er Waffen? Ist er polizeilich bekannt?
Bei strafrechtlich relevanten Inhalten führt die Bundeskriminalpolizei polizeiliche Ermittlungen durch, befragt unter anderem den Droher und macht eine Anzeige bei der Bundesanwaltschaft. Patricks Beispiel zeigt: Handlungen in der digitalen Welt ziehen Konsequenzen in der realen Welt mit sich. Nicht nur für die Droherinnen.
Kommentare im Cyberraum können eine Eigendynamik annehmen. Auch wenn Patrick seine Drohung nicht in die Tat umzusetzen will, kann sein Kommentar inspirieren. Jemand anderen dazu inspirieren, zur Tat zu schreiten. Das gilt es zu verhindern.
*Name geändert
fedpol analysiert laufend die Bedrohungslage und passt entsprechend die Schutzmassnahmen an. Diese reichen von einer allgemeinen Sicherheitsberatung zugunsten einer bedrohten Person bis hin zu Personenschutz. Wenn sich Menschen im Netz besonders aggressiv oder beleidigend äussern, kann fedpol mit einem Grenzziehungsbrief reagieren. Oder in Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei den Absender an seinem Wohnort aufsuchen und eine Gefährderansprache durchführen.