Bürgerkrieg in Liberia. Erstmals wird in der Schweiz ein Kriegsverbrecher verurteilt.

fedpol im Zentrum eines historischen Prozesses

2021 wurde Alieu Kosiah in Bellinzona wegen Kriegsverbrechen zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Der erste Kriegsverbrecherprozess vor dem Bundesstrafgericht war ein historischer Meilenstein für die Schweiz.

Bellinzona, Februar 2021. 7 Zeuginnen und Zeugen und 7 Klägerinnen und Kläger ergriffen im Prozess gegen Alieu Kosiah das Wort. Der Angeklagte war während des ersten Bürgerkriegs in Liberia Kommandant der bewaffneten Rebellengruppe United Liberation Movement of Liberia for Democracy (ULIMO). 25 Anklagepunkte wurden gegen ihn erhoben, unter anderem Folter, Vergewaltigung und Mord.

Warum ein Prozess in der Schweiz?

Nach Ende des Bürgerkriegs flüchtete Alieu Kosiah nach Lausanne und lebte jahrelang unbehelligt in der Schweiz. 2014 wurde er in Bern verhaftet und in unserem Land angeklagt. Aber warum gerade in der Schweiz? Gemäss Strafgesetzbuch ist das Bundesstrafgericht (BstGer) befugt, in Fällen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zu urteilen. Kriegsverbrecher können also auch Tausende von Kilometern von dem Land entfernt, in dem sie ihre Verbrechen begangen haben, strafrechtlich verfolgt werden. Die Schweizer Behörden senden damit eine klare Botschaft: Unser Territorium ist kein Zufluchtsort für internationale Kriminelle.

fedpol im Auftrag des BstGer

Wie so oft bei solchen Verbrechen waren die einzigen Beweise, die die Zeit überdauern, Zeugenaussagen. Es mussten also Zeugen und Klägerinnen aus Liberia in Bellinzona angehört werden. Damit schloss sich der Kreis: Das Bundesamt für Polizei, das von Anfang an involviert war, um die Untersuchung im Auftrag der Bundesanwaltschaft durchzuführen, wurde vom Bundesstrafgericht beauftragt, die Betreuung der Zeugen in Liberia, den Transport in die Schweiz und die Rückkehr in ihr Heimatland zu organisieren. Die eingesetzten Ressourcen waren beträchtlich: Ein fedpol-Dispositiv, das mehrere Dutzend Personen und diverse Direktionsbereiche umfasste und mit zahlreichen Partnern im In- und Ausland koordiniert werden musste.

Und die Herausforderung war enorm: Äusserste Diskretion war nicht nur in Liberia, sondern auch in der Schweiz gefragt, um die Personen zu schützen, die im Prozess aussagen sollten. Alieu Kosiah wird noch immer von vielen seiner Landsleute unterstützt. Die Spannungen und Unstimmigkeiten zwischen den Ethnien halten an. Die Mitarbeitenden vor Ort mussten also wachsam und auf alles gefasst sein.

Mitten in der Covid-Pandemie galt es auch, die epidemiologischen Risiken zu berücksichtigen und einen sicheren Transport nach Bellinzona und zurück zu gewährleisten. Der Prozess wurde mehrfach verschoben … bis er schliesslich am 3. Dezember 2020 mit den ersten Anhörungen begann. Alle Mühen und die Geduld zahlten sich aber aus: Die Opfer wurden persönlich angehört und der Angeklagte wurde verurteilt.

Eine minutiös organisierte Mission

fedpol war von Anfang an involviert. Die Mission erforderte monatelange Vorbereitungen, Koordination und die Erarbeitung mehrerer Pläne, die fast auf die Minute abgestimmt waren, um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Die Herausforderung war gewaltig und historisch stand viel auf dem Spiel. Die Mechanik, die in Gang gesetzt werden musste, war sehr fein – wie ein Uhrwerk, das beim kleinsten Sandkorn stehen bleiben kann. Doch dank des Engagements aller Beteiligten lief alles reibungslos ab.

Für fedpol und seine Partner wie das Bundesstrafgericht, die Bundesanwaltschaft, aber auch das Departement für auswärtige Angelegenheiten und das Staatssekretariat für Migration war diese Mission ein voller Erfolg. Eine effiziente gemeinsame Arbeit, ein ständiger Austausch mit den Partnern: Dieser historische Meilenstein konnte nur dank einer optimalen Teamarbeit erreicht werden.