Unter den Ermittlungsmethoden im Kampf gegen die organisierte Kriminalität sind die einfachsten oft am effizientesten. Eine davon ist die Observation. Was die Augen von fedpol alles sehen …
Die Kunst, jemanden zu beobachten, ohne selbst gesehen zu werden. Mit der Umgebung zu verschmelzen, bis man fast ein Teil von ihr ist. Die fedpol-Mitarbeitenden, die mit der Observation betraut sind, verfügen über keine spektakulären Mittel, sondern nur über ihre ultimativen Waffen: ihren Blick und ihre Geduld. Diese sehr klassische Ermittlungsmethode der Strafverfolgung ist aber sehr effizient, vor allem wenn es um die italienische organisierte Kriminalität geht. «Die italienische Mafia kennt fest etablierte Strukturen und Rituale. Vieles lässt sich an Gesten und Verhaltensweisen erkennen – so etwa der Rang einer Person, die Zugehörigkeit zu einer ‘ndrina, die Versammlung eines locale oder auch die Taufe eines neuen Mitglieds», erklärt der Leiter der Observationseinheit.
Die für die Observation zuständigen fedpol-Mitarbeitenden wissen alles über die Rituale und die Hierarchie der Mafia und sind damit bestens ausgerüstet, um mafiöse Anlässe auszukundschaften. So wird im Herbst 2021 eine Kirche in der Schweiz observiert. Ein Mafia-Mitglied ist verstorben und seine Beerdigung ist eine wertvolle Gelegenheit, seine Entourage zu Gesicht zu bekommen und zu identifizieren. Anderer Kontext, andere religiöse Feier: Während bei einer Hochzeit das Fest rund um das Brautpaar in vollem Gange ist, findet ein paar Meter weiter eine Machtdemonstration statt. Mehrere Männer stehen mit verschränkten Armen im Kreis. Ausgerüstet mit Fotos und Notizbuch beobachtet fedpol diese wichtige Szene. Es handelt sich um Anführer von 'ndrine, die hier sind, um die Verbindung zwischen Familienclans zu bestätigen. Während die Turteltauben ihre Hochzeitsnacht geniessen, wird zugleich auch der Abschluss eines Geschäfts zwischen zwei Familien besiegelt. Für die 'Ndrangheta beispielsweise sind religiöse Feierlichkeiten immer auch wichtige Übergänge.
Observieren ist eine heikle Aufgabe, zumal auch das Gegenüber ähnliche Mittel einsetzt. Es geht nicht nur um das blosse Beobachten, sondern auch darum, das Unsichtbare sichtbar zu machen und zugleich unsichtbar zu bleiben. Die Erkenntnisse müssen danach dokumentiert und archiviert werden, damit die Analysten und Ermittlerinnen von fedpol die Puzzleteile zusammensetzen und Beweise für Verbindungen zwischen Mafiamitgliedern vorlegen können. Alles wird in einem Tagesbericht festgehalten und chronologisch, neutral und objektiv beschrieben. Diese anspruchsvolle Feldarbeit erfordert neben szenekundigen Beamtinnen und Beamten auch Kenntnisse der Geografie der Orte, Spezialwissen und Flexibilität bei kurzen wie auch manchmal sehr langen Einsätzen. Die Erkenntnisse aus den Observationen und die Fotos werden anschliessend sortiert: Was für die Ermittlungen relevant ist, wird der Akte hinzugefügt und im Strafverfahren berücksichtigt. So können beispielsweise eine Begegnung in einem Restaurant oder Bankgeschäfte zu wichtigen Beweisen im Ermittlungsverfahren werden. Die Elemente, die in die Akte aufgenommen werden, dürfen aber keine polizeitaktischen Details wie Ort und Zeitpunkt der Observationen verraten. Mafiosi sind zwar sehr diskret, aber die Observationseinheiten von fedpol sind es noch viel mehr.